Lights in the sky irgendwo in Südamerika

Normalerweise ist dies ja nicht das Medium, um einen Konzertbericht zu schreiben - es soll aufgrund der Spektakularität eine Ausnahme gemacht werden.
Nine Inch Nails waren hier, irgendwo in Südamerika.

Mit ihnen erhielt ich nach 11 Jahren des Tontechniker-Daseins den Glauben zurück, dass es auf dieser Welt noch intelligente Populärmusik gibt. "Intelligent" nicht in dem Sinne, dass sich ein Produzententeam im Studio (vorm Protools) den Kopf darüber zerbricht, wie Musik noch eingänglicher werden bzw. am besten auf das noch zu castende Zuckerpüppchen und den damit einhergehenden Modestil (der schon in der Schublade wartet) abgestimmt werden kann. Sondern intelligent im Sinne des Wortes. Hier soll auch nicht aufgewärmt werden, dass die Band sich der Perfektion verschrieben hat *gähn* - das überlasse ich denen, die sonst über die Zuckerpüppchen schreiben. Es sollte mich ein Konzert erwarten, welches sehr gut ins Festspielhaus Hellerau(1) gepasst hätte: Es blieb kein Ton auf dem anderen, es wurde experimentiert - musikalisch sowieso, vor allem aber licht- und video- bzw. kamertechnisch. Doch ich möchte am Anfang beginnen.

1/128 von Irgendwo In Südamerika war aus dem Hause, als die Band ankündigte am Ende der Welt ein Konzert zu geben. Die anderen 127/128 hören Salsa, Reguetón, "musica de la concha"(2) oder haben von der Band noch nie was gehört. Dies war mein Glück, denn dadurch waren die Preise im Keller und ich bekam die teuersten Karten (cancha VIP) für schlappe 24 EUR. Hätte ich sparen wollen, hätte ich NIN für 9 EUR sehen können. Wollte ich aber nicht.

Ich ging nun mit meiner charmanten Begleitung an allen Schlangen vorbei über den roten Teppich in ein NIN Konzert. Alles Szenegemache wie schwarze Gestalten in Lederkutten, Gruftis und angetrunkene Metaller *gähn* blieben mir dadurch erspart. Obwohl die Metaller hier immer sehr lustig sind: tragen sie doch noch diese T-Shirts der Bands aus den Achtzigern (Iron Maiden, Def Leppard, Kiss) und die dazugehörigen Frisuren mit Sehschlitz. Es gab keine Vorband (gracias) und es begann pünktlich (gracias otra vez). Was dann folgte kann man nicht beschreiben: der Sound war die ersten 3 Songs die Hölle ;). Aber ich kannte das Phänomen aus der eigenen Arbeit. Nein. Es began nach diesen drei durchlittenen Liedern eine Reise. Eine Reise die mich mitnehmen sollte. Eine Reise, in der ich meine Umwelt vergessen sollte. Eine Reise die wie ein irrer Film vor einem abläuft.

Es war eine musikalische Reise durch 20 Jahre NIN. Eine gute Mischung aus alten Heulern und neuem Material. Ich war wahnsinnig - so wie der Lichttechniker neben mir am Pult. Ich sang. Ich schrie. Ich tanzte. Es wurde alles aus mir rausgeholt. Alles. Heimweh Fernweh - alles. Aber ich konnte meinen tierischen stieren Blick nie abwenden, von dem was dort auf der Bühne passierte.

Der Lichttechniker schien wirklich wahnsinnig zu sein. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der am Pult so aktiv Sport getrieben hat. Es hatte den Anschein, als fühlte sich wie 1995 im Dresdner Base auf einer Technoparty und jemand hätte ihm unterschwellig ein Lichtpult untergeschoben, welches er in seine tanzende Körperertüchtigung mit einbeziehen konnte. Das Ergebnis seiner Performance war genial. Und bekanntlich liegen ja Genie und Wahnsinn nah beieinander in einem Bett.

Die Band spielte teilweise hinter einem Vorhang aus Video, mal vor einem Hintergrund aus Video, mal spielte sie auch im Video. Es ging um die Auslieferung des Menschen an die Krake Datenkontrollkonglomerat. Es wurde vor Payback und Timo Beil(3) gewarnt. Es wurde den Menschen live am Körper gezeigt, wie Überwachung durch Kameras funktioniert (für die meisten Konzertbesucher nur ein irrer Gag sich selbst projeziert zu sehen). Es fand genau eine Woche vorm Reich-Ranicki Eklat(4) ein Diskurs über die Auswirkungen der aktuellen Medienkultur statt ("Turn it up - Listen to the shit they pump into your head - Filling you with apathy"). Leider glaube ich, dass der gemeine Latino dies alles nur als Spektakel erlebt hat (versteht ja die Texte nicht :). Alle Botschaften wurde wohltundend ohne großes "Fuck die da oben" rübergebracht. Ein Highlight über allen anderen war (Highlight, Highlight über alles), als mit einer Taschenlampe das Video vom Vorhang gewischt wurde - da sind die Leute kaputt gegangen, da bin ich gestorben und musste doch meine Handykamera stillhalten, welche aber just als dies vorbei war den Geist aufgab.

Trendy Trent hat sich sogar bei den Leuten entschuldigt, dass er 18 Jahre nicht ans Ende der Welt gekommen ist und das obwohl alle Leute immer sagen, dass die Welt so klein sei. Er fügte noch hinzu, dass es nicht mehr 18 Jahre deuern würde bis zum nächsten Mal (na gut - dann eben 17). Mehr weiß ich von diesem Konzert nicht. Alles andere sind nur Bruchstücke die ich neben mir stehend unvollständig abgespeichert habe. Was sonst noch war, habe ich dann am Montag in der Zeitung nachgelesen(5). Übrig ist ein Video. Ein Video von einem der ein Video mit der Taschenlampe wegwischt...



Mehr Videos von diesem Konzert findet der geneigte Leser auf Youtube. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass man heutzutage eine Kamera anstatt eines Feuerzeugs in die Luft hält...

(1) www.zeitmusik.de
(2) Muschimugge
(3) Telekom-Skandal: Bürgerrechtler danken der Telekom
(4) Eklat bei Gala: Reich-Ranicki lehnt Deutschen Fernsehpreis ab
(5) Konzertbericht zum Nachlesen

 

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