Mein armer Bruder Nepp

Es gilt das Augenmerk auf einen Zeitgenossen zu richten, der sicher jedem Reisenden bereits begegnet ist. Das ist mein armer Bruder Nepp. Ich komme darauf, weil sich mir bei meinem letzten Unterfangen nach mendoza.ar wieder einmal die Gelegenheit bot in die Opferrolle zu schlüpfen.

Ich saß gerade in stiller Einkehr - fast hätte ich "auf einer Toilette" geschrieben, aber nein - in einem Park und lauschte Peter's Pan, als man mich jäh in meinem Tun mit einem zu höflichen Menschen störte. Dieser stellte die berühmte Frage: "Hola Amigo! Dedonde es usted?". Ich sah schon, dass es um mein Geld ging und war nur gespannt auf welche Weise es mir diesmal genommen werden sollte. Leider zählte mein armer Bruder Nepp nicht zu den Meistern seines Faches. Er wollte mir einem sexuell und sonst aufgeklärten Menschen, der sich einige Jahre an deutschen Bildungseinrichtungen zu festgesetzt hatte, mit Tannennadeln die nähere oder fernere, jedenfalls glückliche Zukunft voraussagen. Der Tann musste übrigens zum Zweck der Vorhersage zufällig in die Taschen gesteckt werden, in denen mein armer Bruder Nepp - und er hatte zugegebenermaßen einen Kennerblick dafür - meine monetären Seeligkeiten vermutete. Ich sagte ihm, bezüglich der Zukunft wäre mir schon klar, dass ich irgendwann sterben müsse und ich wüsste auch, dass ich in meiner verbleibenden Zeit statistisch mit hoher Wahrscheinlichkeit am Programm zur Erhaltung unserer Art teilnähme. Nach kurzer Diskussion um die philosophische Frage der Ausprägung von "Glück", war er einsichtig und hat es nicht darauf angelegt, wie ursprünglich geplant, die Tannennadeln selbst aus meinen Taschen zu entfernen. Dieser Art Erlebnisse hatte ich mehrere:

Zum Beispiel sollte mir in Rom ein Freundschaftsbändchen für nur 20 DM geschenkt werden. Das Bändchen wurde dabei so am Handgelenk befestigt, dass es nicht ohne die Freundschaft zu zerreißen entfernt werden konnte.

In Ecuador erhöhte sich der Kilometerpreis ganz wundersam mit jedem gefahrenem Kilometer und der zunehmenden Vereinsamung der Gegend.

Erst nach Einwurf weiterer Münzen war in Managua der Schlüssel zum Kofferraum, in dem sich zufällig mein Gepäck befand, wieder auffindbar.

In Afrika war es ein teures Vergnügen einem obskuren Mitbewohner des Planeten das Vertrauen und/oder die Freundschaft zu schenken. Der neue Freund hatte eine/n kranke/n Mutter/sonstigen Familienangehörigen (zutreffendes unterstreichen) in der Hinterhand. Ein Vertrauensbruch in Form nichtgeleisteter Alimentation hätte durchaus zu einem regionalen Konflikt führen können, bei dem ich - der nun ehemalige hellere Freund - stellvertretend für Kolonialisierung und Sahels Durst haftbar gemacht würde.

"Aber dort unten sind doch überall so freundliche Leute!" wird sich jetzt der allgegenwärtige, nichtopportune und vielleicht langhaarige, jedenfalls durch keine kommerzialisierte Subkultur und ihre Kleidung vereinnahmte, immer kritische Leser denken. Das ist richtig. Doch dieser Artikel ist nicht mit "Die Sonate vom freundlichen Menschen" sondern "Mein armer Bruder Nepp" überschrieben.

Mein armer Bruder Nepp - Fotos Bruder Nepps Park Logo von Bruder Nepp in Rom Schuhputzer

Die schönsten Erlebnisse sind allerdings die, bei denen man "seinen Vorteil" gleich wahrnimmt und als Unparteiischer ob der geringen Mehrkosten die Partie laufen lässt. Hinterher, wenn Bilanz gezogen wird hat meist - ohne es zu ahnen - mein armer Bruder Nepp die Kosten für ein heimliches Amüsement gezahlt.
Ich saß mit meinem Freund A. - wo? Sie werden es sicher ahnen! - auf einer Parkbank in Südamerika. Als plötzlich drei Burschen im weit fortgeschrittenem Vorschulalter uns eine auf besagtem Kontinent allgegenwärtige Dienstleistung - die Reinigung bereits gereinigter Schuhe - anboten. Und wären die Schuh fabrikneu und vakuumverpackt, ein tüchtiger Schuhputzer kann und hat mich schon überzeugt, dass immer noch ein kleines Stäubchen zwischen Absatz und gegerbtem Rind zu entfernen wäre.
Wir hatten keine Ahnung, in welcher Höhe die Dienstleistung entlohnt würde, rechneten jedoch von vornherein, mit einem einhundertprozentigen Aufschlag bedacht zu werden. Es kam anders. Der normale Komplettpreis inklusive des hundertprozentigen Aufschlags (ein Genitiv!) für eine komplette Reinigung des gegerbten Rindes einschließlich Vorputzen, Eincremen und Polieren, wurde nach dem Eincremen des ersten Schuhs für jeden weiteren Arbeitsgang pro Schuh fällig. Wir waren begeistert von unseren armen Brüdern Nepp und zahlten bereitwillig. Die Idee sich zusätzlich zur normalen Dienstleistung für die fortlaufende Beseitigung einer durch diese entstehenden Asymmetrie bezahlen zu lassen, fanden wir einfach genial. Denn wer läuft schon gern mit einem schmutzigem und einem eingecremten, bzw. einem poliertem und einem eingecremten Schuh herum?

 

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